Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Nachdem Finanzmarktteilnehmer und Analysten den Hauptgang der anstehenden Leitzinsentscheidungen - nämlich die von Federal Reserve und Europäischer Zentralbank (EZB) - verdaut haben, geht es nun an den Nachtisch: Als größere Zinshäppchen werden die Entscheidungen von Chinas Zentralbank, Schweizerischer Nationalbank und Bank of England serviert. Daneben gibts kleinere von der Norges Bank und - quasi anstelle des Käses - die der türkischen Zentralbank. An Konjunkturdaten kommen in der Woche die Einkaufsmanagerindizes für Juni sowie Daten zum deutschen Auftragsbestand.

Die People's Bank of China (PBoC) hat in den vergangenen Tagen bereits einige Sätze ihres elaborierten Leitzinssystems gesenkt, so dass Analysten davon ausgehen, dass nun auch die "echten" Leitzinsen, die Referenzzinsen für Unternehmenskredite, folgen werden. So erwarten die Volkswirte der Commerzbank, dass der Referenzsatz für ein- und fünfjährige Kredite um 10 Basispunkte auf 3,55 und 4,20 Prozent gesenkt werden.

Mutmaßlich beteiligt sich die PBoC damit an einem breiteren Programm der Regierung zur Stützung der Wirtschaft, über dessen weitere Bestandteile bisher nichts bekannt ist. Die PBoC veröffentlicht ihre Zinsentscheidung am Dienstag (3.15 Uhr).


Schweizerische Nationalbank hebt Zinsen an - Gipfel erreicht? 

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,75 Prozent anheben und das am Donnerstag (9.30 Uhr) bekannt geben. Weitere Zinserhöhungen scheinen allerdings fraglich. Als die SNB ihre im März um 50 Basispunkte angehoben hatte, da tat sie das unter anderem auf Basis einer Februar-Inflationsrate von 3,4 Prozent. Inzwischen ist die Inflation im Mai bis auf 2,2 (April: 2,6) Prozent zurückgegangen, liegt also nur noch knapp über den angestrebten 0 bis 2 Prozent.

Und schon im März hatte die SNB für 2024 eine Rate von 2,0 Prozent prognostiziert. Für das Ende des Prognosehorizonts allerdings waren 2,1 Prozent vorausgesagt worden. Die SNB illustrierte damit ihre Aussage, dass "zusätzliche Zinserhöhungen nicht auszuschließen" seien. Der Franken hat in den vergangenen Wochen gegenüber dem Euro etwas abgewertet, was nicht im Sinne von Inflationsbekämpfung ist, ist aber immer noch knapp 2 Prozent fester als am 23. März.


   Bank of England dreht weiter an der Zinsschraube 

Die Bank of England (BoE) wird angesichts des kräftigen Lohnwachstums in Großbritannien wohl ihren Leitzins bei der anstehenden Sitzung und wahrscheinlich auch in den folgenden Sommermonaten in die Höhe schrauben. Die Märkte erwarten eine Erhöhung um 25 Basispunkte. Der neunköpfige Rat hat die Zinssätze von nahe Null Ende 2021 auf 4,50 Prozent angehoben, und die Märkte rechnen mit einem Höchststand von etwa 5,50 Prozent im weiteren Verlauf dieses Jahres. Die Arbeitsmarktdaten aus Großbritannien zeigten einen überraschenden Rückgang der Arbeitslosigkeit, während die Löhne über den Erwartungen lagen. Die BoE veröffentlicht ihren Zinsbeschluss am Donnerstag (13.00 Uhr).

Drei Stunden vorher (um 10.00 Uhr) kommt die Zinsentscheidung der Norges Bank. Im Mai hatte die Zentralbank ihren Zins um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent angehoben und erklärt, dass ein weiterer Schritt im Juni "sehr wahrscheinlich" sei.


   Türkischer Zentralbankrat tagt erstmals unter neuer Gouverneurin 

Um 12.00 Uhr steht die Zinsentscheidung der türkischen Zentralbank an, deren geldpolitischer Rat erstmals unter der Leitung der neuen Gouverneurin Hafize Gaye Erkan tagen wird. Türkischen Medienberichten zufolge hat Präsident Recep Tayyip Erdogan angedeutet, dass sich der neue Finanzminister Mehmet Simsek mit der Zentralbank zeitnah über Maßnahmen zur Inflationseindämmung verständigen soll. Sowohl Erkan als auch Simsek gelten als Kritiker der bisherigen Wirtschaftspolitik des wiedergewählten Präsidenten.


   Deutsche PMIs im Juni erneut mit gegenläufiger Tendenz 

Wichtigste Konjunkturdaten aus dem Euroraum sind die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) Deutschlands und des Euroraums. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass der deutsche Industrie-PMI auf 43,6 (Mai: 43,2) Punkte gestiegen ist, der Dienstleistungsindex aber auf 56,0 (57,2) Punkte gesunken. Für den Euroraum werden entsprechende Stände von 44,8 (44,8) und 54,8 (55,2) Punkten prognostiziert. Die Daten werden am Freitag (9.30 beziehungsweise 10.00 Uhr) veröffentlicht.

Weitere Daten sind die Auftragsbestände der deutschen Industrie (Dienstag, 8.00 Uhr), das Verbrauchervertrauen im Euroraum (Donnerstag, 16.00 Uhr) und der belgische Geschäftsklimaindex (Freitag, 15.00 Uhr).

(Mitarbeit: Andreas Plecko, Florian Faust)

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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June 19, 2023 01:00 ET (05:00 GMT)