NEW YORK (dpa-AFX) - Das US-Analysehaus Bernstein Research blickt mit Skepsis auf die europäischen Hersteller von Industriechemikalien. Vor allem der Aufbau riesiger Kapazitäten in Übersee sei dafür verantwortlich, dass die Unternehmen hierzulande in einem alarmierenden Tempo ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßten, warnte Analyst Jeremy Redenius in einer Branchenstudie vom Dienstag. Dies gelte nahezu unabhängig vom konjunkturellen Umfeld - der schwächere Euro und die niedrigeren Ölpreise hätten bisher nicht geholfen.

Da das Umsatz- und Ergebniswachstum der europäischen Firmen seiner Meinung nach künftig geringer ausfallen dürfte als bisher erwartet, senkte der Experte seine Absatz- und Ergebnisprognosen für 2016 und 2017.

Redenius erinnerte daran, dass die hiesigen Unternehmen den Großteil ihrer Gewinne in Europa erwirtschafteten. Beim Chemiekonzern BASF schätzt er den Anteil Europas am operativen Ergebnis (Ebit) - abgesehen vom Öl- und Gasgeschäft - auf rund 60 Prozent. Bei den Industriegase-Anbietern Linde und Air Liquide sollte dieser Wert jeweils etwa 45 Prozent betragen.

BASF dürfte auch künftig damit zu kämpfen haben, den Absatz, die Gewinne und den Barmittelzufluss zu steigern, fürchtet Redenius. Die starken Endmärkte im Auto- und Agrochemiegeschäft hätten die schwachen Volumina in den anderen Segmenten lange kaschiert. Zudem sollten die deutlich gesunkenen europäischen Gaspreise die Gewinne im laufenden Jahr stärker belasten als erwartet.

Bei Linde glaubt der Experte nicht länger daran, dass eine zunehmende Absatzdynamik und eine verbesserte Profitabilität für eine Aufwertung der Aktie sorgen. Vielmehr dürfte das Unternehmenswachstum enttäuschen. Neben den bekannten Belastungen durch den übernommenen Sauerstoffgeräte-Hersteller Lincare aus den USA sowie im Anlagenbau bereiteten ihm die margenträchtigen Aktivitäten in Europa und Australien Sorgen - diese dürften einen nur geringen Wachstumsbeitrag leisten.

Für Linde-Konkurrent Air Liquide ist Redenius mit Blick auf die mittel- bis langfristigen Wachstumsaussichten vorsichtig. Zudem belaste die wahrscheinlich im dritten Quartal anstehende Kapitalerhöhung.

Die Aktien der drei Unternehmen spiegeln die Herausforderungen nach Ansicht des Analysten noch nicht wider. Daher stufte er sie jeweils um eine Stufe ab. BASF und Air Liquide prognostiziert er damit nur noch eine weitgehend marktkonforme Kursentwicklung. Zu den neuen, ebenfalls gesenkten Kurszielen haben die Aktien aktuell noch ein Aufwärtspotenzial von 4,68 beziehungsweise 1,61 Prozent.

Der Linde-Aktie traut der Experte dagegen nur eine unterdurchschnittliche Entwicklung zu, weshalb das neue Kursziel gut 17 Prozent unter dem gegenwärtigen Bewertungsniveau liegt.

Entsprechend der Einstufung "Market-Perform" erwarten die Analysten von Bernstein Research, dass die Kursentwicklung der Aktie in den kommenden zwölf Monaten um bis zu 15 Prozentpunkte über oder unter der Entwicklung des MSCI Pan Europe Index liegen wird. Bei "Underperform" rechnen die Analysten mit einer um mehr als 15 Prozentpunkte schwächeren Entwicklung im Vergleich zum MSCI Pan Europe Index./gl/das

Analysierendes Institut Bernstein.

Unternehmen im Artikel: BASF SE, Linde AG, AIR LIQUIDE