Wien (Reuters) - Beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S könnte die österreichische Beteiligungsholding ÖBAG einsteigen.

Im Zuge einer Kapitalerhöhung könnte sich die Staatsholding mit einem Anteil von zumindest 25 Prozent plus einer Aktie beteiligen, teilte das Unternehmen mit. Die Verhandlungen würden noch laufen. An der Wiener Börse ist AT&S etwa eine Milliarde Euro wert. Gemessen am aktuellen Aktienkurs würde die ÖBAG ein solcher Schritt rund 350 Millionen Euro für die Sperrminorität an AT&S kosten. Zuvor hatte die Tageszeitung "Kurier" über die Verhandlungen berichtet. Zudem habe der AT&S-Vorstand beschlossen, Gespräche mit potenziellen anderen neuen Investoren über einen möglichen Einstieg aufzunehmen. Die Aktien von AT&S brachen am Dienstag an der Wiener Börse ein.

AT&S teilte mit, dass der Vorstand zur Unterstützung der weiteren Unternehmensentwicklung erwäge, das Grundkapital gegen Bareinlage zu erhöhen und möglicherweise weitere Kapitalschritte umzusetzen. Das Gesamtvolumen dieser Kapitalmaßnahmen könne bis zu 50 Prozent des Grundkapitals betragen. Die Details seien noch festzulegen und die finale Zustimmung des Aufsichtsrats sei noch ausständig, hieß es.

Ein ÖBAG-Sprecher bestätigte die Verhandlungen, die sich noch in einem frühen Stadium befänden. Weitere Details wollte er nicht nennen. Das Finanzministerium wollte sich nicht dazu äußern. Grundsätzlich zähle die Halbleiterindustrie zu den entscheidenden Zukunftstechnologien, teilte das Ministerium auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters mit. "Mikrochips sind für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten von strategischer Bedeutung, wie auch der European Chips Act zeigt".

Anleger reagierten verschreckt. Die AT&S-Papiere verloren im Frühhandel an der Wiener Börse über 16 Prozent. "Die Situation ist sehr negativ für AT&S und wird einen sehr negativen Effekt auf den Aktienkurs heute haben", heißt es in einer Ersteinschätzung der Erste Group. "Offensichtlich drängen die finanzierenden Banken AT&S angesichts der jüngsten und erwarteten Bilanzkennzahlen".

Der AT&S machen derzeit eine schwächere Nachfrage und hoher Preisdruck zu schaffen. Spätestens im zweiten Halbjahr 2024 rechnet Vorstandschef Andreas Gerstenmayer aber mit einer deutlichen Markterholung. AT&S stellt neben Leiterplatten für Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und Medizinprodukte auch sogenannte IC-Substrate her, die etwa in Notebooks verwendet werden und als Verbindungselemente zwischen Leiterplatte und Chip dienen. Zu den Kunden zählen unter anderem die Chipriesen Intel und AMD, aber auch europäische Autozulieferer.

Die ÖBAG verwaltet unter anderem die Staatsbeteiligungen am Stromkonzern Verbund, der Telekom Austria, dem Öl- und Gaskonzern OMV und der Österreichischen Post. Vor ein paar Jahren wurde beschlossen, dass sich die dem Finanzministerium unterstehende ÖBAG wenn nötig auch an Unternehmen aus Schlüsselindustrien beteiligt. Damit könnten etwa Konzernsitze in Österreich gehalten werden.

Mit einem möglichen Einstieg bei AT&S würde das erstmalig auch umgesetzt werden. Die größten Einzelaktionäre des Unternehmens sind derzeit die Privatstiftungen des Unternehmers Willi Dörflinger sowie des früheren österreichischen Finanzministers Hannes Androsch. Beide Stiftungen sind mit jeweils rund 18 Prozent beteiligt. Gut 64 Prozent sind im Streubesitz.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)