KÖLN (awp international) - Im tristen Chemie-Branchenumfeld muss Lanxess wohl weit mehr als eine halbe Milliarde Euro abschreiben. Wegen einer überraschend schwachen Nachfrage 2023 und 2024 ergebe sich eine Wertminderung von 413 Millionen Euro auf die Geschäftsbereiche Flavors & Fragrances und Polymer Additives, wie der im MDax notierte Konzern am Dienstagabend mitgeteilt hatte. Zudem sei eine Wertminderung auf das Kunststoff-Gemeinschaftsunternehmen Envalior im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich absehbar. Im fortgeführten Geschäft ergibt sich damit 2023 vermutlich ein hoher Verlust.

Bei Aktionären kam das nicht gut an. Die Aktien fielen am Mittwochvormittag um gut drei Prozent auf 23,30 Euro. Im noch jungen Börsenjahr 2024 summieren sich die Kursverluste nun schon auf 18 Prozent.

Analyst Chris Counihan vom Investmenthaus Jefferies geht davon aus, dass die Wertberichtigung im Segment Flavors & Fragrances vor allem auf die 2021 erfolgte Übernahme von Emerald Kalama Chemical zurückgeht. Lanxess hatte rund eine Milliarde Euro für den Hersteller von Produkten für Aroma- und Duftstoffe, Konservierungsmittel für Lebensmittel sowie für Reinigungs- und Kosmetikprodukte gezahlt.

Dass Lanxess mit Blick auf die Wertminderung auch auf eine schwache Nachfrage verweise, impliziere einen womöglich trägen Start in das laufende Jahr in den Bereichen Flavors & Fragrances und Polymer Additives, schrieb zudem Analyst Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan. Im Geschäftsbereich Polymer Additives bietet Lanxess Zusatzstoffe wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Hochleistungsfarbstoffe sowie Lösungen für die Wasseraufbereitung an.

Wie der JPMorgan-Experte weiter ausführte, dürften angesichts der Wertminderungen die Sorgen von Anlegern mit Blick auf die in Relation zum operativen Gewinn recht hohe Verschuldung von Lanxess sowie von Envalior nicht weniger werden.

In Envalior hatte Lanxess im Frühjahr 2023 das Geschäft mit Hochleistungskunststoffen für die Auto- und Elektroindustrie mit dem Kunststoffgeschäft Engineering Materials des niederländischen Konzerns Royal DSM zusammengelegt. Die Kölner wollten so die Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen senken, da das Geschäftsvolumen mit der Autoindustrie reduziert wurde. In diesem Zuge hatte der Finanzinvestor Advent die Mehrheit an Envalior übernommen. Lanxess kann seinen Anteil von gut 40 Prozent frühestens nach drei Jahren an Advent weiterreichen.

Bereits im dritten Quartal hatte Lanxess den Wert der Beteiligung Envalior in seinen Büchern gesenkt. Per Ende September wiesen die Kölner noch rund 1,06 Milliarden Euro aus - nach 1,14 Milliarden Ende des zweiten Quartals.

Im Zuge der Transaktionen rund um die Envalior-Gründung erzielten die Kölner in den ersten neun Monaten 2023 ein Konzernergebnis von knapp 1,2 Milliarden Euro. Solche Effekte ausgeklammert - also im Tagesgeschäft - war allerdings ein Minus von 266 Millionen Euro angefallen. Angesichts der angekündigten Wertberichtigungen dürfte dieser Verlust im fortzuführenden Geschäft mit Blick auf das Gesamtjahr noch deutlich steigen. 2022 hatte hier noch ein Plus von 184 Millionen Euro gestanden.

Die Wertberichtigungen sind nicht zahlungswirksam und haben keine Auswirkungen auf den um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), wie Lanxess betont. Bei dieser Grösse rechnet das Unternehmen damit, 2023 die mit 510 Millionen Euro bezifferte Durchschnittserwartung von Analysten in etwa zu erfüllen.

Damit würden die Kölner eher am untere Ende ihres Jahresziels eines operativen Gewinns von 500 bis 550 Millionen Euro liegen. Wie viel es genau geworden ist, wird am 14. März bei der Veröffentlichung der Bilanz bekannt gegeben./mis/mne/jha/