Mediengespräch

Sperrfrist

22. September 2022,

10.00 Uhr

Einleitende Bemerkungen von Thomas Jordan

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüsse Sie herzlich zum Mediengespräch der Schweizerischen Nationalbank. Unsere Mediengespräche finden nun jeweils nach jeder Lagebeurteilung statt. Die Einleitenden Bemerkungen werden insgesamt kürzer ausfallen. Wir werden daher nach unseren Ausführungen mehr Raum für Ihre Fragen haben.

Geldpolitischer Entscheid

Ich beginne mit unserem geldpolitischen Entscheid. Wir haben beschlossen, die Geldpolitik weiter zu straffen und den SNB-Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5% zu erhöhen. Damit wirken wir dem erneut gestiegenen Inflationsdruck entgegen und erschweren ein Übergreifen auf bisher von der Teuerung weniger betroffene Waren und Dienstleistungen. Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten. Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, sind wir zudem bei Bedarf bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein.

Die Zinsänderung gilt ab morgen, 23. September 2022. Zudem passen wir die Umsetzung unserer Geldpolitik an das Umfeld positiver Zinsen an. Damit stellen wir sicher, dass die kurzfristigen besicherten Geldmarktzinsen weiterhin nahe beim SNB-Leitzins liegen.

Sichtguthaben der Banken bei der SNB werden bis zu einer bestimmten Limite zum SNB- Leitzins verzinst. Sichtguthaben oberhalb dieser Limite werden zu null verzinst. Zusätzlich werden wir liquiditätsabschöpfende Massnahmen einsetzen. Meine Kollegin Andréa Maechler wird nachher noch detaillierter auf die Anpassungen in der Umsetzung der Geldpolitik eingehen.

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Zürich, 22. September 2022

Thomas Jordan

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Inflationsprognose

Ich wende mich nun der Teuerungsentwicklung zu. Die Inflation stieg im August auf 3,5% und dürfte vorerst erhöht bleiben. Der jüngste Inflationsanstieg ist vor allem auf höhere Preise für Waren, insbesondere Energie und Nahrungsmittel, zurückzuführen. Unsere neue bedingte Inflationsprognose beruht auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum 0,5% beträgt (Grafik 1). Sie liegt bis Mitte 2024 über derjenigen vom Juni. Danach verläuft sie aufgrund der gestrafften Geldpolitik darunter. Am Ende des Prognosezeitraums liegt sie bei 2%. Im Jahresdurchschnitt beträgt die Inflation gemäss neuer Prognose 3% für 2022, 2,4% für 2023 und 1,7% für 2024 (Tabelle 1). Ohne die heutige Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose deutlich höher.

Internationale Wirtschaftsaussichten

Ich komme zu den Wirtschaftsaussichten. Das globale Wirtschaftswachstum hat sich in den letzten Monaten deutlich verlangsamt. Gleichzeitig liegt die Inflation in vielen Ländern merklich über den Zielwerten. Als Reaktion darauf haben zahlreiche Zentralbanken ihre Geldpolitik weiter gestrafft.

Für die Zukunft erwarten wir in unserem Basisszenario, dass diese herausfordernde Situation vorerst bestehen bleibt. So dürfte das globale Wirtschaftswachstum in den kommenden Quartalen schwach bleiben. Bremsend wirken insbesondere die Energiesituation in Europa, die teuerungsbedingten Kaufkraftverluste sowie die strafferen Finanzierungsbedingungen. Die Inflation wird zunächst noch erhöht bleiben. Vorübergehende Faktoren wie Lieferkettenprobleme dürften aber mittelfristig an Bedeutung verlieren. Auch die vielerorts zunehmend straffere Geldpolitik dürfte dazu beitragen, dass die Inflation allmählich wieder auf moderatere Niveaus zurückkehrt.

Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt bedeutenden Risiken. So könnte sich die Energiesituation abermals verschärfen. Gleichzeitig könnte sich die hohe Inflation verfestigen und stärkere geldpolitische Reaktionen im Ausland erfordern. Schliesslich gehen von der Corona-Pandemie weiterhin wichtige Abwärtsrisiken für das Wachstum aus.

Wirtschaftsaussichten für die Schweiz

In der Schweiz fiel das BIP-Wachstum mit 1,1% im zweiten Quartal geringer aus als erwartet. Dies war in erster Linie auf eine schwächere Entwicklung in der Industrie zurückzuführen. Der kurzfristige Ausblick hat sich eingetrübt. Am Arbeitsmarkt blieb die Lage hingegen positiv.

Der weitere Konjunkturverlauf dürfte von der wirtschaftlichen Abschwächung im Ausland und der Energieverfügbarkeit in der Schweiz geprägt sein. Bisher sind vor allem die Preise von Erdgas und Strom stark angestiegen.

Wir rechnen für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum von rund 2%. Das ist etwa ein halber Prozentpunkt tiefer als bei der letzten Lagebeurteilung. Die Prognoseunsicherheit ist weiterhin

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Zürich, 22. September 2022

Thomas Jordan

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hoch. Ein globaler Konjunkturabschwung, eine Zuspitzung der Gasknappheit in Europa sowie eine Strommangellage in der Schweiz stellen die grössten Risiken dar. Darüber hinaus kann ein erneutes Aufflackern der Corona-Pandemienicht ausgeschlossen werden.

Geldpolitische Straffung

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die Geldpolitik zurückkommen. Ich möchte Ihnen unsere heutige Entscheidung erläutern.

Vor einem Quartal zeigte unsere bedingte Inflationsprognose an, dass die Inflation ohne eine weitere geldpolitische Straffung am Ende des Prognosezeitraums oberhalb des Bereichs der Preisstabilität zu liegen kommen würde. Dies bedeutete, dass weitere Zinserhöhungen erforderlich sein könnten, um die Inflation auf mittlere Frist im Bereich der Preisstabilität zu stabilisieren. Diese Entwicklung ist nun eingetreten.

Im internationalen Vergleich ist die Inflation in der Schweiz mit 3,5% zwar tief, aber sie liegt deutlich über dem Bereich von 0% bis 2%, den wir mit Preisstabilität gleichsetzen. Auch mehren sich die Anzeichen, dass Preiserhöhungen verstärkt auf Waren und Dienstleistungen übergreifen, die nicht direkt vom Krieg in der Ukraine oder von den Pandemiefolgen betroffen sind. So legen die Informationen unserer Delegierten für regionale Wirtschaftskontakte nahe, dass Unternehmen gestiegene Kosten leichter auf ihre Verkaufspreise übertragen können. Zudem sind die Energiepreise insgesamt weiter angestiegen und erhöhen den Inflationsdruck in vielen Sektoren. Damit verstärkt sich das Risiko von Zweitrundeneffekten. Deshalb sind wir zum Schluss gekommen, dass eine deutliche Erhöhung des SNB-Leitzinses angebracht ist. Unsere neue Prognose, die wie immer unseren heutigen Entscheid berücksichtigt, zeigt zudem, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik in den nächsten Quartalen nicht auszuschliessen ist. Das Umfeld ist allerdings weiterhin von grosser Unsicherheit geprägt.

Lassen Sie mich noch kurz auf den Wechselkurs eingehen. Seit der Lagebeurteilung im Juni hat sich der Franken auf handelsgewichteter Basis um rund 7% aufgewertet. Diese Aufwertung trägt dazu bei, die monetären Bedingungen zu straffen und den Inflationsdruck zu dämpfen. Um die monetären Bedingungen angemessen zu gestalten, sind wir weiterhin bei Bedarf bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein. Sollte sich der Franken übermässig aufwerten, würden wir Devisen kaufen. Würde sich der Franken hingegen abschwächen, würden wir Devisenverkäufe erwägen.

Negativzinsphase endet

Mit dem heutigen Entscheid endet eine längere Phase mit negativem SNB-Leitzins. Der Negativzins wurde Anfang 2015 eingeführt, um dem Aufwertungsdruck auf den Franken im Zusammenhang mit der Aufhebung des Mindestkurses entgegenzuwirken. Der Negativzins half über die letzten Jahre, die Aufwertung des Frankens abzudämpfen und die Preisstabilität zu sichern.

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Zürich, 22. September 2022

Thomas Jordan

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Gleichzeitig war uns immer bewusst, dass der Negativzins auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen kann und für viele Akteure in der Wirtschaft eine Herausforderung darstellt. Insgesamt hat sich der Negativzins aber bewährt. Sein geldpolitischer Nutzen übertraf klar die Kosten seiner Nebenwirkungen. Ohne Negativzins hätte die Preisstabilität nicht gewährleistet werden können, und die Konjunkturentwicklung wäre deutlich ungünstiger gewesen. Der Negativzins wird auch zukünftig ein wichtiges geldpolitisches Instrument bleiben, das wir nötigenfalls einsetzen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe das Wort nun an Martin Schlegel, der über den Hypothekar- und Immobilienmarkt sprechen wird.

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SNB - Swiss National Bank published this content on 22 September 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 22 September 2022 08:19:09 UTC.