Von Dan Gallagher

SAN FRANCISCO (Dow Jones)--Salesforce war noch nie ein Unternehmen, das klein dachte. Der Kauf von Slack Technologies hievt die Ambitionen dennoch auf ein ganz neues Niveau. Salesforce kündigte am Dienstagnachmittag offiziell den 27,7-Milliarden-Dollar-Deal an und bestätigte damit einen Bericht des Wall Street Journal von vergangener Woche, wonach die beiden Unternehmen miteinander sprachen.

Das überwiegend in bar gehaltene Angebot bewertet Slack mit etwa 45,50 US-Dollar pro Aktie. Das entspricht einem Aufschlag von 54 Prozent und einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 26. Damit ist Slack nach mehreren Maßstäben das teuerste Geschäft, das Salesforce bislang tätigte. Die beiden vorherigen Akquisitionen - 14,7 Milliarden US-Dollar für Tableau Software im vergangenen Jahr und 5,8 Milliarden Dollar für MuleSoft im Jahr zuvor - bewerteten diese Unternehmen nach Schätzungen von Brent Thill von Jefferies mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf bzw. 15.

Den Salesforce-Anlegern ist verständlicherweise mulmig. Die Aktie fiel um mehr als 7 Prozent, nachdem vergangene Woche erstmals Nachrichten über den Deal durchdrangen. In den Stunden nach der offiziellen Ankündigung am Dienstag gab die Aktie nochmals 4 Prozent ab. Als wahrscheinlicher Grund dafür gilt die höher als erwartete Cash-Komponente der Übernahme. Um diese zu stemmen, muss Salesforce zusätzliche Schulden machen.

Eine Akquisition dieser Größe ist selbst angesichts der äußerst akquisitiven Unternehmensgeschichte eine kleine Überraschung - insbesondere seit CEO Marc Benioff Ende August feststellte, dass "wir uns nicht in einem guten M&A-Umfeld befinden". Er hat sich nicht geirrt.

Die Cloud-Bewertungen waren bereits stark angestiegen. Der BVP-Nasdaq-Emerging-Cloud-Index hatte zu diesem Zeitpunkt schon 68 Prozent zugelegt. Der breitere Nasdaq-Composite-Index schaute hingegen auf ein Plus von 28 Prozent. Mittlerweile liegt der Cloud-Index mit 88 Prozent im Plus, und mehrere Unternehmen der Branche notieren bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 30.

Angesichts solcher Zahlen wäre Slack eigentlich ein Schnäppchen, wenn es nicht gute Gründe für die Underperformance gäbe: Die weitreichende Verlagerung von Tätigkeiten ins Homeoffice durch die Pandemie hat dem Geschäft von Slack nicht so sehr genützt wie anderen Cloud-basierten Diensten, so zum Beispiel Zoom Video und Shopify. Slack wird auch weiterhin von der Wahrnehmung belastet, dass es sich in einem verlorenen Rennen mit Microsoft befindet, das seine Kooperationsplattform "Microsoft Teams" stark beworben hat.

Durch den Kauf von Slack wird Salesforce direkt in diese Wettbewerbsdynamik hineingezogen. Die Lücke wird jedoch nicht vollständig geschlossen, da Microsoft Teams auch Funktionen wie Videokonferenzen anbietet, die eine Kombination aus Salesforce und Slack nicht leistet. Microsoft macht Teams auch zum Bestandteil seiner Office-Software, sodass der Collaboration-Service praktisch kostenlos zur Verfügung steht.

Salesforce wird es schwer haben, den hohen Preis für Slack zu rechtfertigen. Mark Moerdler von Bernstein ist der Ansicht, dass noch mehr Akquisitionen folgen müssen, wenn Salesforce im Segment der Zusammenarbeit von Teams direkt mit Microsoft konkurrieren will.

Diese Sorge wird Salesforce nicht abschütteln können, auch wenn das Unternehmen weiterhin gute Zahlen schreibt. Die Ergebnisse des dritten Geschäftsquartals, die ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurden, enthielten eine erhöhte Prognose für das im Januar endende Geschäftsjahr sowie eine frühe Prognose für das nächste Geschäftsjahr, die über den Zielen der Wall Street lag.

Diese Prognose bestätigte ein weiteres Jahr mit einem Wachstum von mehr als 20 Prozent. Das ist beeindruckend für einen Neuling im Dow-Jones-Index. Ein kombinierter Salesforce-Slack-Konzern generiert jedoch immer noch weniger als 40 Prozent des Umsatzes des kommerziellen Cloud-Segments von Microsoft, zu dem auch das schnell wachsende Azure-Geschäft gehört.

Die Übernahme von Slack wird nur die Meinung fördern, dass Salesforce darauf angewiesen ist, zumindest einen Teil seines Wachstums zu kaufen - und dass es immer größere Schecks ausstellen muss, um dies zu tun.

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December 02, 2020 03:49 ET (08:49 GMT)