Von Dieter Holger und Dawn Lim

BRÜSSEL (Dow Jones)--Die EU-Kommission hat es einer hochrangigen EU-Beamtin zufolge versäumt, bei der Wahl von Blackrock als Berater für die Gestaltung der Bankenregulierung mögliche Interessenkonflikte angemessen zu berücksichtigen.

"Der Antrag eines Unternehmens auf Durchführung einer Studie, die in die Politik zur Regulierung der Geschäftsinteressen dieses Unternehmens einfließen soll, hätte eine wesentlich kritischere Prüfung durch die Kommission zur Folge haben müssen", sagte die Europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly, zuständig für die Aufsicht. Die Europäische Ombudsfrau, oder Europäische Bürgerbeauftragte, kann Personen, Unternehmen oder Organisationen helfen, die mit der EU-Verwaltung Probleme haben.

Sie forderte die EU-Kommission auf, dringend ihre Richtlinien über die Auftragsvergabe in Bezug auf potenzielle Interessenkonflikte, die die Arbeit der Kommission beeinträchtigen könnten, zu aktualisieren. Sie leitete ihren Bericht an das Europäische Parlament weiter, das für die Gesetzgebung zuständig ist.

Anfang März beauftragte die Europäische Kommission eine Blackrock-Einheit damit, eine technische Analyse zu erstellen, wie ein regulatorischer Rahmen geschaffen werden kann, der Umwelt- und soziale Risiken für Banken berücksichtigt. Blackrock zählt Banken zu seinen Kunden.

Der Geschäftsbereich Finanzmarktberatung (FMA) des Unternehmens, der sich von seinem Geschäftsbereich Vermögensverwaltung unterscheidet, hat im vergangenen Jahr aufgrund seiner Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Zentralbanken mit verschiedenen Regierungen an politischen Maßnahmen gearbeitet. Blackrock ist der größte Vermögensverwalter der Welt mit einem verwalteten Vermögen von 7,8 Billionen Dollar.

"Die Europäische Kommission hat bereits öffentlich erklärt, dass die technische Qualität des Vorschlags der FMA die Grundlage für ihre Entscheidung bei der Vergabe des Mandats war", sagte Blackrock-Sprecher Marc Bubeck. Die FMA habe einen breiten und integrativen Ansatz verfolgt, der Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Banken, Aufsichtsbehörden und Marktpraktiker einschließe, und freue sich darauf, ihre Arbeit abzuschließen und der Kommission ihren Abschlussbericht vorzulegen.


   Bericht hebt Interessenkonflikte bei Blackrock hervor 

Der Bericht der Ombudsfrau hebt Problembereiche hervor - zum einen, dass Blackrock ein finanzielles Interesse an den Entwicklungen auf dem Markt hat, für den das Unternehmen das Beratungsmandat hat, und zum anderen, dass Blackrock in der Lage war, andere Unternehmen zu unterbieten.

Man könne die Vergabe bestimmter Aufträge nicht einfach mit bürokratischer Routine handhaben, sagte O'Reilly. "Die Gleichbehandlung der Bieter ist wichtig, aber andere kritische Faktoren bei der Bewertung von Angeboten nicht angemessen zu berücksichtigen, dient letztlich nicht dem öffentlichen Interesse", so O'Reilly.

Blackrock war einer von neun Bewerbern für den Vertrag. Blackrock bot seine Leistung für 280.000 Euro an, der Auftrag hatte dem Bericht der Ombudsfrau zufolge einen geschätzten Wert von 550.000 Euro.

Die EU-Ombudsfrau empfahl, den Leitfaden zu Interessenkonflikten zu aktualisieren. Ihrem Bericht zufolge hatte die Vergabe des Auftrags aber nicht den Grad von Misswirtschaft in der Verwaltung oder Fehlverhalten der Kommission erreicht.

Ein Sprecher der Europäischen Kommission sagte, O'Reillys Bericht bestätige, dass die Kommission "die Regeln vollständig und fair anwendet", aber sie werde die Vorschläge prüfen und der Bürgerbeauftragten bis zum Ablauf der Frist Ende März antworten. "Die Kommission ist der Transparenz verpflichtet", sagte der Sprecher. "In diesem Sinne wird die Kommission in Kürze den Zwischenbericht von Blackrock veröffentlichen, sobald er vom Auftragnehmer vorgelegt wurde."


   Bericht durch Beschwerden ausgelöst - Brief auch an von der Leyen 

Ausgelöst haben den Bericht drei Beschwerden einer Allianz unter anderem der Non-Profit-Organisation Change Finance und zwei Mitgliedern des Europäischen Parlaments.

Damien Careme, einer der zwei Europaparlamentarier, sagte, er und andere Kollegen der Grünen-Allianz hätten nach dem Bericht in einem zweiten Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, aufgefordert, den Vertrag mit Blackrock zu kündigen.

"Wir fordern auch eine Verschärfung der EU-Regeln zu Interessenkonflikten, damit sich ein solcher Skandal einfach nicht wiederholt", sagte Careme.

Blackrocks wachsender Einfluss beschäftigt Politiker weltweit. Als Vermögensverwalter wettet Blackrock darauf, dass mehr Menschen in Fonds investieren, die in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele oder das Management von Umweltrisiken punkten. Blackrock hat Strategien, die ökologische, soziale und Governance-Erwägungen sowie nachhaltige Investitionen berücksichtigen, zu den Eckpfeilern seines künftigen Geschäfts erklärt. Das Unternehmen verfügt über eine große Palette solcher Fonds und hat Finanzsoftware-Tools entwickelt, die Investoren bei der Analyse von Umweltrisiken unterstützen sollen.

Gleichzeitig ist der Konzern ein wichtiger Indexanbieter von Fonds, die breite Märkte abbilden, und investiert auch über verschiedene Vehikel in Öl- und Gasunternehmen. Dies stößt bei einigen grünen Investoren und Umweltschützern auf Kritik.

"Um die Klimakatastrophe zu stoppen, muss die Finanzbranche sich von fossilen Brennstoffen trennen", sagte Jana Leutner, Analystin und Aktivistin bei Change Finance, die eine der Beschwerden gegen Blackrock koordinierte. "Starke Nachhaltigkeitsziele bei den Bankenregeln und eine Besteuerung umweltschädlicher Investitionen sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel."

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November 25, 2020 06:54 ET (11:54 GMT)