MARANELLO (dpa-AFX) - Während Autohersteller weltweit unter der mauen Autokonjunktur, Handelsstreitigkeiten und einer nachlassenden Kauflust der Kunden leiden, zeigt sich Ferrari davon bislang weitgehend unbeeindruckt. Abgesehen von einem zuletzt kleineren Rücksetzer befindet sich die Aktie des Luxuswagenbauers seit Jahresbeginn auf einem Höhenflug, die Modelle der Italiener sind stark gefragt. Die weiteren Aussichten für das Traditionsunternehmen scheinen aus Expertensicht allerdings nicht nur positiv. Was bei Ferrari los ist, wie Analysten den Konzern bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Der Tod des langjährigen Fiat Chrysler- und Ferrari-Chefs Sergio Marchionne war für die Marke mit dem sich aufbäumenden Pferd eine Zäsur. Und auch das Ende einer Ära. Kurz vor seinem Ableben im Sommer vergangenen Jahres hatte der gesundheitlich angeschlagene Marchionne seinen Posten an Louis Camilleri abgegeben, der nun dafür sorgen soll, den Sportwagenhersteller auf Wachstumskurs zu halten.

Obwohl das Erbe des mächtigen Marchionne schwierig ist, hat sich Camilleri ambitionierte Ziele gesetzt. Trotz aller wirtschaftlichen Risiken sollen Umsatz und Gewinn der Formel-1-Ikone im laufenden Geschäftsjahr weiter zulegen. Erreicht werden soll das unter anderem mit höheren Margen durch limitierte Auflagen besonderer Sportwagen.

Ungeachtet dessen senkte Camilleri allerdings bereits vor knapp einem Jahr die zuvor noch von Marchionne ausgegebenen mittelfristigen Gewinnziele. Die Ziele des alten Managements seien "ehrgeizig", hatte der neue Konzernchef im September 2018 auf einem Kapitalmarkttag gesagt. Nach zuvor 2 Milliarden Euro erwartet Ferrari bis 2022 jetzt ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 1,8 bis 2 Milliarden Euro.

Die Nobelkarossen aus der Autoschmiede in Maranello kosten ihre wohlbetuchten Käufer oftmals ein kleines Vermögen, gefragt sind sie dennoch - oder vielleicht gerade deswegen. Die Auslieferungen zogen zuletzt weiter an, unter dem Strich verdiente Ferrari im zweiten Quartal 2019 deutlich mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Insgesamt betrachtet stehen die Italiener nach dem ersten Halbjahr erheblich besser da als etwa der britische Rivale Aston Martin, der kürzlich in die roten Zahlen gerutscht war und seine Absatzprognose senken musste.

Damit sich Ferrari trotz aller Tradition an die Erfordernisse der heutigen Zeit anpasst, treibt der Konzern auch seine Pläne für elektrische Antriebe voran. Bis zum Jahr 2022 sollen 60 Prozent der Produktion von Ferrari mit Hybridantrieben ausgestattet werden.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Aus Sicht der Marktexperten ist die seit Oktober 2015 an der New Yorker Börse und mittlerweile auch in Mailand gelistete Ferrari-Aktie ein lohnendes Investment. Gleich zehn der von Bloomberg erfassten Analysten empfehlen den Kauf der Anteilsscheine. Genauso viele raten dazu, die Papiere zu halten. Lediglich dreimal lautet der Rat, die Aktie zu verkaufen. In den zurückliegenden drei Monaten haben die Analysten das durchschnittliche Kursziel um 14 Prozent angehoben. Sie trauen dem italienischen Sportwagenbauer noch weiteres Potenzial zu und sind optimistisch, dass der Aufwärtstrend andauert.

Stellvertretend dafür steht George Galliers von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Erst kürzlich stufte er Ferrari von "Neutral" auf "Kaufen" hoch und hob das Kursziel auf 182 Dollar an. Ferrari habe Wartelisten für seine Fahrzeuge und im Gegensatz zum strauchelnden britischen Luxuswagenhersteller Aston Martin sähen die Italiener keine Nachfrageschwäche oder Auftragsrückgänge.

Das Jahr 2020 werde zudem zu einem entscheidenden Jahr in Ferraris Geschichte, blickt Galliers voraus. Der Konzern werde dann sein Modell SF90 zu einem höheren Preis verkaufen. Wenn das gut ginge und am Markt angenommen werde, könnte dies nach Ansicht des Analysten weitere Preisanstiege für Ferrari-Autos in der Zukunft bedeuten.

Skeptischer sieht dagegen Max Warburton vom Analysehaus Bernstein die Lage. Denn auch Ferrari drohe seiner Einschätzung nach die Gefahr einer sinkenden Nachfrage. Ein jahrelanger Boom, getrieben von zunehmendem Wohlstand und niedrigen Zinsen, könne allmählich auslaufen, glaubt Warburton. Die Preise für Auto-Klassiker lägen um 30 Prozent unter ihren einstigen Höchstständen von Ende 2015 bis 2017. Der Abschwung scheine sich zuletzt noch beschleunigt zu haben, argumentiert der Experte.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit ihrem Kapitalmarkt-Debüt 2015 ging es für die Ferrari-Aktie fast nur bergauf. Mit Ausnahme einer Delle zwischen Mitte 2018 und Anfang 2019 hat sich der Kurs des Wertpapiers, das unter dem Börsenkürzel "RACE" gelistet ist, prächtig entwickelt.

Hatte der Ausgabepreis bei 52 Dollar gelegen, kostet die Aktie aktuell in New York mit rund 155 Dollar drei mal so viel. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 30 Milliarden Dollar (rund 27,2 Milliarden Euro) kommt Ferrari mittlerweile auf fast 11 Milliarden Dollar mehr als die frühere Mutter Fiat Chrysler, die die Italiener an die Börse gebracht hatten. Größter Anteilseigner ist die Investmentgesellschaft Exor, die knapp 23 Prozent der Aktien hält./eas/kro/mis