Von Telis Demos

NEW YORK (Dow Jones)--Während die USA und Europa abwägen, wie sie auf die Entsendung russischer Truppen in die Ukraine reagieren sollen, sind finanzielle Sanktionen eine der wichtigsten Maßnahmen. Die USA und Europa haben in Erwägung gezogen, russische Banken vom globalen Swift-Netzwerk abzuschneiden. Das ist eine außergewöhnliche und selten genutzte Form der finanziellen Isolierung, die laut US-Präsident Joe Biden einige europäische Verbündete vorerst nicht unterstützen. Zuletzt wurde der Iran vor zehn Jahren ausgeschlossen.

Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz Swift, wurde in den 1970er Jahren gegründet, um das Telexsystem zu ersetzen. Sie befindet sich im Besitz ihrer Mitglieder und wird von den Zentralbanken beaufsichtigt. Heute ist Swift in über 200 Ländern tätig und verbindet mehr als 11.000 Banken, Finanzinstitute und Unternehmen. Swift bewegt selbst kein Geld, ist aber eine wichtige Nachrichtenplattform, über die die Banken täglich zig Millionen von grenzüberschreitenden Zahlungen und anderen Transaktionen anweisen.


  Swift will sich eigentlich aus politischen Konflikten heraushalten 

Aber es ist nicht einfach, den Schalter umzulegen. Während die Banken eines Landes Swift so nutzen können, dass sie mit ihren nationalen rechtlichen Verpflichtungen und Sanktionen in Einklang stehen, entscheidet die Organisation nicht, ein Finanzinstitut oder ein Land vom Netzwerk auszuschließen. "Swift ist neutral", heißt es entschlossen und glasklar auf der Website der Organisation.

"Swift hat keine Befugnis, Sanktionsentscheidungen zu treffen." Da die Sanktionsgesetze von Land zu Land unterschiedlich sein können, hält sich Swift laut eigener Aussagen an die EU-Vorschriften. Die Organisation hat ihren Sitz in Belgien.

2012 schloss Swift die Banken im Iran als Reaktion auf die EU-Sanktionen aus. Die politischen Hintergründe dieser Maßnahmen sind jedoch nicht einfach. Viele dieser Banken wurden 2016 wieder angebunden, als die EU diese von den Sanktionslisten strich. Als die USA dann 2018 erneut Sanktionen gegen den Iran verhängten, waren einige Beamte der Trump-Administration Berichten zufolge bereit, Druck auf Swift auszuüben, falls das Unternehmen US-Gesetze nicht einhalten würde.

Swift schränkte bestimmte iranische Banken ein, was laut der Organisation ein "isolierter Vorfall"" sowie "bedauerlich" war und als Entscheidung "im Interesse der Stabilität und Integrität des globalen Finanzsystems im weiteren Sinne getroffen wurde". Vielleicht werden sich die USA und Europa irgendwann noch einmal über die Form von Finanzsanktionen als Reaktion auf das Vorgehen von Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine einigen.


  Swift-Stopp könnte Rückzahlung von Krediten aus Russland gefährden 

Beobachter äußerten auch Bedenken hinsichtlich des finanziellen Risikos, wenn eine wichtige Wirtschaft und ein Rohstoffexporteur abgeschnitten wird. Der Vorsitzende des Financial Stability Board (FSB), eines internationalen Regulierungsgremiums, erklärte in der Financial Times, dass die Sperrung des Zugangs russischer Banken zum Netz eine "schwerwiegende Störung der Zahlungsströme" auslösen könnte.

Die Vorrangstellung des US-Dollar auf den Energiemärkten verleiht den USA zwar ein enormes Gewicht, gibt aber auch Anlass zur Sorge, dass es zu Störungen auf den wichtigen Gasmärkten kommen könnte. Russische Banken könnten als Korrespondenten für Kunden in anderen Ländern auftreten, und nicht-russische Banken Transaktionen im Namen russischer Kunden vornehmen. Fitch Ratings merkt an, dass ein Swift-Stopp die Rückzahlung ausländischer Gläubiger behindern dürfte. Einige europäische Banken haben ein beträchtliches Kreditengagement in Russland.

Große US-Banken haben dagegen ein begrenztes direktes Engagement in Russland. Das Land gehört beispielsweise nicht zu den 20 größten Engagements von JP Morgan außerhalb der USA, und im dritten Quartal machte es nur 0,3 Prozent der Aktivitäten der Citigroup aus. Die Citigroup ist bereits dabei, das Verbrauchergeschäft in Russland aufzugeben, was Teil eines umfassenderen Rückzugs aus mehreren Märkten ist.


   Geopolitik macht Zahlungsverkehr zu schaffen 

Dennoch befürchten die Zahlungsverkehrsunternehmen seit langem, dass die Politik ihr System in den Mittelpunkt von Konflikten stellen und gleichzeitig die nationale Zersplitterung der Netzwerke fördern würde. Russland und China haben ihre eigenen Swift-ähnlichen Systeme aufgebaut.

Digitalisierte Zentralbankwährungen oder andere Token wie Bitcoin könnten schnell eine größere Rolle im globalen Zahlungsverkehr spielen. Daran ändert auch nichts, dass sich das Misstrauen gegenüber diesen Instrumenten verstärken könnte, wenn sie die Wirksamkeit von Sanktionen verringern.

Russische Kreditgeber haben sich seit der Krim-Annexion 2014, die zu reaktionsschnellen Sanktionen führte, wieder dem inländischen Bankwesen zugewandt, und ihre Vermögenswerte sind nun zu 60 Prozent durch inländische Einlagen finanziert. Das geben Analysten von JP Morgan zu bedenken.


  Bedarf an Umtausch in "harte" Währungen 

Russlands Banken sehen sich aber immer noch mit dem potenziellen Bedarf konfrontiert, Rubel in eine "harte" Währung wie Euro oder Dollar zu konvertieren, um sich abzusichern, Kursrisiken zu verwalten oder Handel zu treiben, so die Analysten. Sanktionen könnten auf diese Konvertierbarkeit abzielen.

Auch ohne einen Swift-Stopp werden die vorgeschlagenen Maßnahmen Sanktionen gegen große russische Banken umfassen, die sich auch auf andere Arten von Zahlungen erstrecken. Die Sanktionen als Reaktion auf die Krim betrafen beispielsweise US-Kartennetzwerke. Seitdem haben digitale Bankgeschäfte und Zahlungen an Vielfalt und Bedeutung gewonnen.

Russland könnte mit eigenen Maßnahmen reagieren, obwohl noch nicht klar ist, ob seine alternativen Zahlungsnetzwerke für eine eigene Nutzung ausreichten. Was auch immer in den nächsten Tagen geschieht, es ist wahrscheinlich, dass sich die Geopolitik im Zahlungsverkehr nur noch verschärfen wird. Banken und Zahlungsverkehrsunternehmen werden sich weiterhin neuen Herausforderungen stellen müssen, um wirklich global zu werden.

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February 25, 2022 03:36 ET (08:36 GMT)